Die Covid-19-Pandemie hat bestehende Geschlechter-Ungleichheiten in den vergangenen zwei Jahren weiter verstärkt. Frauen verloren beinahe zweimal so häufig ihren Arbeitsplatz wie Männer.
Allerdings waren auch bereits in den fünf Jahren vor Ausbruch der Pandemie nur langsame Fortschritte bei der Geschlechtergleichheit zu beobachten und die Erwerbsbeteiligung von Frauen liegt nahezu unverändert bei zwei Dritteln der Erwerbsbeteiligung von Männern.
Nachdem Arbeitsplätze, die von Frauen besetzt werden, überdurchschnittlich stark von der Pandemie betroffen sind, dürfte sich das Gefälle im Verlauf des Jahres 2022 und darüber hinaus vergrößern.
Bedeutung der Geschlechtergleichheit aus gesamtwirtschaftlicher Sicht
Eine Verringerung der geschlechterspezifischen Diskrepanz bei der Beschäftigung könnte das Weltwirtschaftswachstum kräftig ankurbeln und den Investitionsstau im Zuge steigender öffentlicher und privater Ausgaben ein Stück weit auflösen.
Mehr Diversität und Inklusion unter Arbeitnehmern fördert die Auslastung und unterstützt so das Pro-Kopf-Einkommen und -Wachstum. Gleiches gilt für die Produktivität, die durch einen besseren Einsatz von Humankapital – der wirtschaftliche Wert der Kompetenzen und Erfahrung eines Arbeitnehmers – ebenfalls steigt.
In einer weltweit alternden Gesellschaft und bei schleppendem Wachstum der Arbeitsproduktivität würde ein stärkeres Engagement von Politik und Wirtschaft bei der Förderung von Diversität und Inklusion der Weltkonjunktur den dringend benötigten Schub verleihen.
Darüber hinaus ist der Nutzen des Abbaus von Geschlechterungleichheiten am Arbeitsplatz deutlich höher als die dafür erforderlichen Sozialausgaben.
Der Nutzen des Abbaus von Geschlechterungleichheiten am Arbeitsplatz ist deutlich höher als die dafür erforderlichen Sozialausgaben
Bedeutung der Geschlechtergleichheit aus Sicht der Unternehmen
Auch aus Sicht der Unternehmen gibt es klare Argumente für mehr Diversität in der Belegschaft. Nutzen der Diversität in der Belegschaft:
- Ein größerer Talentpool
- Ein besseres Verständnis der Kunden und globalen Aktivitäten, sodass die Absatzchancen steigen
- Ein höherer Markenwert
- Höhere Produktivität, mehr Engagement und eine geringere Fluktuationsrate unter Arbeitnehmern
Unternehmen, die sich um echte Diversität und Inklusion im Arbeitsumfeld bemühen, sollten langfristig an Qualität gewinnen,
und durch mehr Diversität im Vorstand steigt das Potenzial für eine überdurchschnittliche Rentabilität.
Wie können Anleger diese Unternehmen identifizieren?
Im Rahmen ihrer treuhänderischen Pflichten müssen Investoren sicherstellen, dass die Unternehmen, in die sie investieren, ihre Geschäfte auf verantwortungsvolle Weise führen.
Gemäß den zehn Prinzipien des UN Global Compact sollen verantwortungsvolle Unternehmen „den Schutz der internationalen Menschenrechte unterstützen und achten“ und „jede Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf ausschließen“.
Eine Möglichkeit, Unternehmen zu identifizieren, die sich für mehr Geschlechterdiversität engagieren, ist es, sie anhand verschiedener Kriterien zu prüfen.
Unser Multi-Asset-Team beispielsweise nutzt einen Aktienkorb, der ausschließlich Unternehmen beinhaltet, die mithilfe von Richtlinien und Verfahren das Nachhaltigkeitsziel Nr. 5 der Vereinten Nationen unterstützen: die Geschlechtergleichheit.
Diese Unternehmen erfüllen nachweislich folgende Kriterien:
- Förderung von Frauen in Führungspositionen
- Bemühungen um ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis in der Belegschaft
- Nachweisliche Verpflichtung zur Lohngleichheit
- Innovative Möglichkeiten der Elternzeit und/oder sonstige Unterstützungs-/Schutzmaßnahmen
Screening in der praktischen Anwendung
Eine Schwierigkeit hierbei ist, dass häufig keine verlässlichen Daten zur Verfügung stehen. Daher haben wir uns für diejenigen Kennzahlen entschieden, die am häufigsten offengelegt werden.
Dazu zählen der Frauenanteil in Leitungsgremien (Mindestanforderung: mehr als 45%), in der Unternehmensführung (Mindestanforderung: mehr als 25%) oder in Positionen der oberen Führungsebene (Mindestanforderung: mehr als 25%) sowie der Anteil der weiblichen Beschäftigten (Mindestanforderung: mehr als 25%). Es wurden bevorzugt Unternehmen ausgewählt, die hinsichtlich dieser Kriterien gute Bewertungen erzielen.
Weitere Kriterien sind geschlechterspezifische Lohngefälle (soweit veröffentlicht) und die diesbezügliche Unternehmenskommunikation, Unternehmensrichtlinien zu Kinderbetreuung und Betreuungspflichten, Maßnahmen zur Bekämpfung von Voreingenommenheit in der Branche sowie Methoden der Mitarbeitergewinnung und -entwicklung.
Unser Ergebnis
Aus unserer Analyse ergab sich ein Korb aus 20 Einzeltiteln. Der Schwerpunkt liegt klar auf Europa, wobei Frankreich und Großbritannien unter den einzelnen Ländern am stärksten vertreten sind.
Auf Sektorebene sind Finanzen, zyklische Konsumgüter und Kommunikationsdienste am stärksten gewichtet. Im Hinblick auf den Anlagestil werden in diesem Korb Momentum-, Substanz- und Qualitätstitel favorisiert.
Und zu guter Letzt ...
Studien zeigen, dass rund 82% der alleinstehenden Frauen einer Erwerbstätigkeit nachgehen, während dies für nur 64% der Frauen gilt, die in einer Partnerschaft leben, und für weniger als 50% der Frauen, die in einer Partnerschaft mit Kindern leben.
Zum Vergleich die Erwerbsquote der Männer: Rund 90% der alleinstehenden Männer gehen einer Erwerbstätigkeit nach. Bei Männern, die in einer Partnerschaft leben, liegt die Quote bei 94% und bei Männern mit Partnern und Kindern bei rund 96%.
Es muss zweifellos noch viel geschehen, damit eine Gleichstellung der Geschlechter erreicht wird. Als Anleger können wir aktiv zur Erreichung dieses Ziels beitragen.