Es ist plausibel, dass höhere Zölle und eine wachstumsfreundlichere Politik die Inflation in den USA nach oben treiben könnten, was wiederum das Tempo, in dem die US-Zinsen gesenkt werden können, verringern könnte. In den Tagen unmittelbar nach Trumps Sieg wurde, wie allgemein erwartet, auch der US-Dollar stärker, was sich umgekehrt in schwächeren Schwellenländerwährungen niederschlug.
Pragmatismus und die Kunst des "Deal-making"
Da es immer wahrscheinlicher wird, dass die Republikaner die Kontrolle über das Repräsentantenhaus behalten und der Senat bereits gewonnen wurde, dürfte dies Trump bei der Umsetzung seiner politischen Agenda sicherlich helfen. Dennoch versteht Trump auch sehr wohl die Notwendigkeit des Pragmatismus. So hat er sogar in seinem Buch „The Art of the Deal“ davon gesprochen, dass man sich „niemals zu sehr auf ein Geschäft oder einen Ansatz festlegen sollte“. Diese Denkweise dürfte durch seine erste Amtszeit nur noch verstärkt worden sein. Während einige der kontroversen Ideen dazu beigetragen haben dürften, die Aufmerksamkeit der Wähler zu erregen, ist in der Praxis jedoch mit einer gewissen Abschwächung zu rechnen.
Sollten wir uns zu diesem Zeitpunkt Sorgen um China machen?
Unter Trumps Präsidentschaft werden die Handelsspannungen mit China höchstwahrscheinlich zunehmen. Ob Trump jedoch wirklich die aggressivste (angedrohte) Politik verfolgt, nämlich Zölle von 60 % oder mehr auf alle chinesischen Exporte in die USA zu erheben, bleibt abzuwarten. Wie bereits erwähnt, wird die Trump-Administration, wenn sie tatsächlich an der Macht ist, möglicherweise einen gemäßigteren und pragmatischen Ansatz verfolgen müssen. Dies gilt insbesondere dann, wenn auch Faktoren wie mögliche Vergeltungsmaßnahmen Chinas berücksichtigt werden.
In jedem Fall hätten erhöhte US-Zölle sehr wahrscheinlich den Nebeneffekt, dass die chinesischen Behörden erhebliche Gegenmaßnahmen zur Stützung der lokalen Wirtschaft ergreifen würden. Am 8. November kündigte der Nationale Volkskongress (NVK), Chinas Parlament, bereits ein neues Umschuldungspaket für lokale Gebietskörperschaften in Höhe von 10 Billionen RMB ab. Damit bleibt der chinesishe Finanzminister zwar etwas hinter den Markterwartungen zurück, er deutete jedoch unmissverständlich an, dass weitere Schritte folgen werden, wobei die Behörden „verstärkt antizyklische Anpassungen“ ins Auge fassen.
Es sei auch daran erinnert, dass in China bereits vor der US-Wahl, nämlich seit der wichtigen Ankündigung von Konjunkturmaßnahmen am 24. September, ein deutlicher Wandel hin zu einer wachstumsfreundlicheren Politik zu beobachten war. Trumps Sieg könnte die Entschlossenheit der chinesischen Politiker, allen externen Wachstumsherausforderungen energisch entgegenzutreten, durchaus noch verstärken. Die Gewährleistung der Glaubwürdigkeit der Politik und die Eindämmung potenzieller Deflationsrisiken werden ebenfalls im Vordergrund ihrer Überlegungen stehen.
Wie stehen wir zu China?
Wir sind der Meinung, dass wir bei unseren China-Fonds relativ gut für den Ausgang der US-Wahl aufgestellt sind. Zunächst einmal ist festzustellen, dass es bisher keine erhöhte Volatilität gegeben hat, was möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass der Markt trotz unklarer Umfrageergebnisse einen Sieg von Trump bereits weitgehend eingepreist hatte.
Zu den spezifischen Maßnahmen, die wir vor der Wahl ergriffen haben, gehörte die Erhöhung des Engagements in China-Aktien von denen wir in hohem Maße überzeugt sind, wobei folgende Kriterien bei unseren Anlageentscheidungskriterien am wichtigsten waren: 1) die Fähigkeit der Unternehmen, ihren Marktanteil zu verteidigen und auszubauen; 2) ihre Fähigkeit, im Ausland mit begrenzten Zollrisiken zu wachsen; und 3) ihre Fähigkeit, die Aktionärsrendite durch Dividenden und/oder Aktienrückkäufe zu steigern.
Hinzu kommt, dass im Bereich der China-A-Aktien rund 80 % der Einnahmen der Portfolio-Unternehmen aus inländischen Quellen stammen und sich die verbleibenden, im Ausland erwirtschafteten 20 % eher auf Regionen außerhalb der USA konzentrieren. Generell haben wir in allen unseren China-Portfolios seit über einem Jahr unter besonderer Berücksichtigung potenzieller US-Zölle kontinuierlich Bestände in Aktien mit höherem US-Engagement abgebaut.
Was bedeutet eine Trump-Präsidentschaft für die Schwellenländer jenseits Chinas?
Während eine Welt steigender Zölle auch für die aufstrebenden Volkswirtschaften jenseits Chinas nicht ideal ist, ist das Gesamtbild in mehrerlei Hinsicht ausgeglichener. Erstens sollte man sich vor Augen halten, dass von Trump eine lockere Finanzpolitik erwartet wird, u. a. durch Steuersenkungen und Ausgaben zur "Reindustrialisierung", was das US-Wachstum ankurbeln dürfte. Und ein schnelleres US-Wachstum kurbelt in der Regel das globale Wachstum über die Exportmöglichkeiten für andere Länder an. Natürlich könnten erhöhte US-Zölle diese Tendenz dämpfen, aber insgesamt dürfte ein schnelleres US-Wachstum für die meisten anderen Länder immer noch positiv sein.
Zweitens: Wenn die aggressivsten Zollmaßnahmen, wie allgemein erwartet, auf China abzielen, dann erscheint es durchaus plausibel, dass einige der bisherigen Handelsströme zwischen den USA und China in andere Schwellenländer umgeleitet werden könnten. Ebenso wird die zweite Trump-Präsidentschaft die Bemühungen globaler multinationaler Unternehmen um eine Diversifizierung ihrer globalen Lieferketten weg von China wahrscheinlich nur beschleunigen - was wiederum vor allem anderen Schwellenländern zugutekommen könnte.
Drittens sollte man sich vor Augen halten, dass das Wachstum der aufstrebenden Volkswirtschaften außerhalb Chinas von mehreren starken langfristigen strukturellen Trends getragen wird, die von der US-Politik völlig unbeeinflusst sind. Dazu gehören Faktoren wie eine große Bevölkerung mit wachsendem Einkommen, ein zunehmender technologischer Fortschritt, steigende globale Industrieinvestitionen und eine wachsende Unternehmenskultur, die darauf abzielt, die Aktionärsrendite zu priorisieren und zu verbessern.
Erträge und Bewertungen
Bei der Betrachtung der relativen Vorzüge einer Anlageklasse sind die Gewinnwachstumsaussichten und die Bewertungen immer von größter Bedeutung. Wie im Folgenden gezeigt wird, sind diese Bereiche derzeit vielleicht die größten Trümpfe der Schwellenländer, da für Schwellenländeraktien sowohl ein höheres Ertragswachstum prognostiziert wird und sie auch deutlich billiger sind als ihre Pendants in den entwickelten Ländren (DM) und den USA.
Abbildung 1: Prognostiziertes Gewinnwachstum nach Regionen (%)
Tabelle 1: Die Bewertungen sind attraktiv
Forward P/E | gegenüber 5-Jahres-Durchschnitt | Last P/B | gegenüber 5-Jahres-Durchschnitt | |
China* | 11.0 | -15.0% | 1.4 | -8.9% |
EM | 13.6 | -0.8% | 1.8 | +6.7% |
DM | 20.7 | +6.7% | 3.5 | +17.5% |
US | 24.2 | +11.1% | 5.0 | +16.9% |
Quelle: abrdn, Bloomberg, 31. Oktober 2024. MSCI-Indizes, *MSCI China. PE - 12 Monate Forward (rollierend), PB - Historisch. Monatliche Datenpunkte. Die Indizes werden nicht gemanagt und dienen nur zu Vergleichszwecken. Es werden keine Gebühren oder Kosten berücksichtigt. Sie können nicht direkt in einen Index investieren. Es sollten keine Annahmen über die zukünftige Wertentwicklung getroffen werden. Nur zu Illustrationszwecken. Es sollten keine Annahmen über die künftige Wertentwicklung getroffen werden.
Zusammenfassung
Alles in allem ist es richtig, dass der Übergang zu einer Trump-Präsidentschaft einige Herausforderungen für die Schwellenländer mit sich bringen könnte. Wir sind jedoch der Meinung, dass Trump in der Praxis einen eher pragmatischen und gemäßigteren Ansatz verfolgen muss. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass eine wachstumsfreundlichere US-Politik immer auch positiv für die Welt sein sollte.
Da China wahrscheinlich das größte Ziel neuer US-Zollmaßnahmen sein wird, können wir ziemlich sicher sein, dass es erhebliche Gegenmaßnahmen ergreifen wird, um das Wachstum zu stützen. Die aufstrebenden Volkswirtschaften außerhalb Chinas könnten hingegen zu den größten Nutznießern des globalen Handels und der Umstellung der Lieferketten gehören. Abgesehen von der Politik sollte man sich vor Augen halten, dass die Erträge und die Bewertung weiterhin für die Aktien der Schwellenländer sprechen.