Indien hat die Anleger in seinen Bann gezogen. Der Grund dafür ist leicht zu erkennen: eine starke Demografie, eine lange Wachstumsphase und Unternehmen, die ihre Gewinne zuverlässig steigern. Wenn man zu dieser Mischung noch eine geopolitische Landschaft hinzufügt, die das Interesse der Anleger von China weggelenkt hat, ergibt sich ein überzeugendes Investmentangebot.

Das Problem ist jedoch, dass es sich mittelrweile um einen beliebten Markt handelt. Als wir in den 1980er Jahren begannen, in indische Aktien zu investieren, war es schwierig, das Interesse der Menschen hierfür zu wecken. Doch was einst als konträr galt, ist mittlerweile zum Mainstream geworden.

So hat sich beispielsweise die Gewichtung Indiens im einflussreichen MSCI All Country Asia-Pacific ex Japan Index seit Ende 2020 von knapp 9 % auf über 18 % verdoppelt. Die Neugewichtung des Index hat dazu beigetragen, Milliarden von Dollar, die von internationalen Investoren kontrolliert werden, an den indischen Aktienmarkt zu locken. Und die Chancen stehen gut, dass wir gerade erst warm werden.

„Wie sieht es mit den Bewertungen aus?“

Diese Frage höre ich bei Investorentreffen immer wieder. Sind indische Aktien zu stark und zu schnell gestiegen? Sind sie Opfer ihres eigenen Erfolgs?

Die meisten Anleger in indische Aktien investieren langfristig, was eine gute Sache ist. Sie setzen auf das Wachstumspotenzial der am schnellsten wachsenden großen Volkswirtschaft der Welt, die von den Erfolgen der vor einem Jahrzehnt eingeleiteten großen Reformen profitiert.

Ja, wir haben eine Neubewertung der Aktienkurse erlebt, da viele Anleger allmählich glauben, dass die Aktienbewertungen auf längere Sicht höher sein sollten. Der indische Markt ist zweifellos nicht billig. Tatsächlich mussten die Aufsichtsbehörden eingreifen, als das spekulative Interesse an kleineren Unternehmen zu stark wurde.

Dennoch sind wir der Meinung, dass die Preise auf diesem Niveau gerechtfertigt sind, wenn man das Gesamtbild betrachtet.

Wie sehen die Bewertungen aus?

Warum werden einige Anleger nervös?

  • Die Starken werden stärker: Indische Aktien waren schon immer teurer als ihre Pendants aus den Schwellenländern. Der MSCI India Index wurde in den letzten zehn Jahren im Durchschnitt mit dem 21,8-fachen des Gewinns gehandelt. Im gleichen Zeitraum wurde der MSCI Emerging Markets Index mit dem 11,9-fachen des Gewinns gehandelt [1]. Dieser „Aufschlag“ hat sich seit Covid noch erhöht, da die Auswirkungen der Reformen auf die Aktienmärkte durchgeschlagen haben.

  • Eine höhere Basis: Die Sichtbarkeit hochwertiger Unternehmensgewinne in Indien ist viel größer. Der MSCI India Index wird mit dem 26-fachen der Gewinnprognosen für 2024 gehandelt – und liegt damit über den jüngsten Durchschnittsbewertungen (siehe Abbildung 1). Seit 2020 sind die durchschnittlichen Bewertungen von etwa dem 20-fachen auf etwa das 23-fache der Gewinne gestiegen. Zum Vergleich: Der Nifty 50 Index wird mit dem 22-fachen der Gewinnprognosen für 2024 gehandelt [2].

Abbildung 1: Neubewertung der indischen Aktienkurse

Sind die Aktienkurse zu hoch?

Wir glauben nicht, da diese Bewertungen aus vier Gründen gerechtfertigt sind:

  • Das makroökonomische Umfeld ist gesünder und wird weiterhin unterstützend wirken. Indiens Devisenreserven befinden sich dank einer konservativen Politik auf Rekordniveau [3]. Dies trägt dazu bei, das Währungsrisiko und die traditionelle Anfälligkeit des Landes für Rohstoffpreisschocks zu mindern. Das Haushaltsdefizit Indiens wird 2025 voraussichtlich unter 5 % fallen, unterstützt durch einen strukturellen Anstieg der Steuereinnahmen. Die Inflation ist mit weniger als 5 % gut unter Kontrolle. Ein Großteil des Verdienstes dafür geht an die Reserve Bank of India.

  • Indiens Wirtschaft ist effizienter geworden und verbessert sich weiter. Höhere Steuereinnahmen bedeuten, dass die Regierung in die Modernisierung der Energieinfrastruktur, erneuerbare Energien, Schienen, Straßen und den öffentlichen Verkehr investieren konnte. Es ist jetzt viel einfacher, in Indien Geschäfte zu machen und Waren und Menschen zwischen den Bundesstaaten zu transportieren. Selbst das Pendeln innerhalb der Städte ist für viele Millionen Menschen einfacher geworden.

  • Die indische Unternehmenslandschaft ist in besserer Verfassung. Unternehmen sind effizienter, weniger verschuldet und wachsen schneller. Auch die Kapitalbeschaffung ist für sie einfacher geworden. Das Wirtschaftswachstum schlägt sich in Unternehmensgewinnen nieder – das Wachstum des Gewinns je Aktie hat sich deutlich beschleunigt. Indische Aktien sind jetzt so bewertet, dass sie ein Gewinnwachstum im mittleren Zehnerbereich liefern [4].

  • Der Aktienmarkt ist attraktiver und wird von inländischen Investoren unterstützt. Die inländischen Kapitalflüsse haben sich beschleunigt und zeigen keine Anzeichen eines Stillstands [5]. So sind beispielsweise monatliche Sparpläne und betriebliche Altersvorsorgeprogramme gewachsen und bieten dem Markt strukturelle Unterstützung. Aktien machen weniger als 6 % des Vermögens der privaten Haushalte aus (im Vergleich zu 22 % in den USA). Die Kapitalisierung des indischen Aktienmarktes ist auf dem besten Weg, 10 Billionen US-Dollar zu erreichen (derzeit sind es etwa 5,5 Billionen US-Dollar). Unterdessen ist die Gewichtung Indiens in den Fonds für Schwellenländer und Asien im Verhältnis zur Größe der Wirtschaft nach wie vor relativ gering.

Abschließende Gedanken

Indien durchläuft einen bedeutenden wirtschaftlichen Wandel – einen Wandel, der durchaus mit den Veränderungen mithalten kann, die wir in den letzten zwei Jahrzehnten in China erlebt haben.

Ein großer Unterschied zwischen den beiden Märkten besteht jedoch darin, dass sich das Wirtschaftswachstum in Indien besser in den Unternehmensgewinnen und in der Aktienmarktperformance widerspiegelt.

Seit Jahren verfolgen wir zahlreiche Qualitätsunternehmen auf diesem Markt und wissen, dass Qualitätsunternehmen fast immer eine Prämie verlangen.

Sollten Sie sich Sorgen um die Bewertungen machen? Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mir keine Sorgen über die Preise mache, zu denen einige Unternehmen gehandelt werden. Deshalb muss man selektiv vorgehen.

Aber wir haben uns die Kursrenditen des MSCI India Index in den letzten zwei Jahrzehnten angesehen. Selbst ein Investor, der jeweils am Höhepunkt jedes Zyklus mit einer passiven Buy-and-Hold-Strategie gekauft hätte, hätte immer noch Geld verdient [6].

Mit einer aktiven Strategie, besserem Timing und mehr Geduld wäre seine Renditen sogar noch besser gewesen, da der Index seit Anfang 2003 um etwa 1.927 % gestiegen ist.

  1. Bloomberg, September 2024
  2. Bloomberg, September 2024
  3. Bank of America, August 2024
  4. Bloomberg, Jefferies, Februar 2024
  5. Avendus Spark Research, Juni 2024
  6. Bloomberg, September 2024