Versicherungen und Schwellenländeranleihen

Matthew SmithInvestment Director - Global Insurance Solutions, Global Insurance

Zusammenfassung

  • Versicherungsanlagen in Schwellenländeranleihen bewegen sich trotz ihres Renditepotenzials nach wie vor auf niedrigem Niveau.
  • Die Bonität der Emittenten aus den Schwellenländern (EM) verbessert sich und die Ausfallquoten sind auf historische Tiefststände gesunken.
  • Investment-Grade-Anleihen bieten sich nach der Standardformel zur Berechnung der Solvenzkapitalanforderungen gemäß Solvency II als Kapitalanlage an.

Einleitung

Der rasante wirtschaftliche Fortschritt lässt die Grenzen zwischen aufstrebenden und entwickelten Volkswirtschaften verschwimmen. Die Märkte für Schwellenländeranleihen haben sich in den letzten 40 Jahren fortentwickelt und die Ausfallquoten sind deutlich gesunken. Das Exposure europäischer Versicherungsanleger bei Staats- und Unternehmensanleihen aus den Schwellenländern ist allerdings immer noch begrenzt.

Die Solvency II-Vorschriften, die von einigen als „Feind“ von Schwellenländeranleihen erachtet werden, sehen für die Behandlung aller festverzinslichen Anlagen (unabhängig von deren Herkunft) letztlich eine relativ einfache Regelung vor. Nach Solvency II sind die Kapitalanforderungen für in Lokalwährung abgesicherte Schwellenländeranleihen nicht höher als die für heimische Anleihen mit gleichwertigem Rating.

Doch vom verwalteten Vermögen europäischer Versicherungsunternehmen, das sich auf über 5 Bio. EUR beläuft, entfallen nach wie vor lediglich 5% auf Schwellenländer. Das ist ein leichter Anstieg gegenüber der Zeit vor dem Inkrafttreten der Solvency II-Richtlinie im Jahr 2016. Die Aussichten für die Renditen europäischer Unternehmensanleihen sind negativ und die Anleger drängen vermehrt in Private-Credit-Anlagen. In diesem Umfeld könnten die Vorzüge von Engagements bei Schwellenländeranleihen ins Blickfeld rücken.

Rückbesinnung auf die grundlegenden Faktoren

Da am globalen Anleihenmarkt Papiere im Volumen von über 12 Bio. USD negative Renditen aufweisen, lässt sich der Reiz von Schwellenländeranleihen nicht von der Hand weisen.

Das größte Risiko für Anleger in Schwellenländerpapieren ist ein Zahlungsausfall. Es gibt allerdings noch andere Risiken. Auch die Rohstoffpreise stellen in vielen Schwellenländern häufig einen Risikofaktor dar. Anleger sind ferner regulatorischen Risiken ausgesetzt, die von steuerlichen Veränderungen bis zu Kapitalverkehrskontrollen reichen. Emissionen von EM-Schuldtiteln in Euro bewegen sich auf vernachlässigbaren Niveaus und Versicherungsanleger, die in Fremdwährungsanleihen investieren, müssen das Währungsrisiko bei der Berechnung ihrer Solvenzkapitalanforderungen berücksichtigen. Die Absicherung von Anlagen in Lokalwährungsanleihen könnte sich ebenfalls als schwierig erweisen. Deshalb beschränken wir unser Universum an Anlagemöglichkeiten für Versicherungsanleger auf EM-Anleihen in US-Dollar (oder Hartwährungen).

Für Anleger mit Euro als Basiswährung haben sich die Absicherungskosten von auf US-Dollar lautenden Anleihen - gemessen an der Währungsbasis - in den letzten Jahren verbessert. Doch um eine Kapitalrendite zu erreichen, die in etwa gleichwertigen Lokalwährungsanleihen entspricht, ist eine Kompensation erforderlich. Dies kann die Rendite oder eine Diversifizierung sein. Emittenten in Großbritannien profitieren von der besseren Währungsbasis, durch die eine Absicherung von EMD-Emissionen attraktiver wird.

Für europäische Versicherungsunternehmen bieten Schwellenländeranleihen erfreulicherweise attraktive Renditen. Die erwarteten Erträge fallen höher aus als bei Papieren aus den Industrieländern. Das gilt sogar für Titel mit vergleichbaren Ratings. EM-Anleihen bieten globalen Anlegern Diversifizierungsvorteile, da sie unterschiedlichen politischen, wirtschaftlichen und marktspezifischen Risikofaktoren ausgesetzt sind. Außerdem wächst dieser Markt, wobei im letzten Jahrzehnt deutlich mehr Unternehmens- als Staatsanleihen emittiert wurden.

Staats- oder Unternehmensanleihen?

Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zufolge machen Schwellenländeranleihen heute über 25% der gesamten im Umlauf befindlichen Anleihen weltweit aus. Die Anleger nehmen die Unterschiede innerhalb der Anlageklasse daher deutlicher wahr.

Auf Hartwährung lautende Staatsanleihen aus den Schwellenländern (vornehmlich USD-Papiere) sind oft der erste Anlaufpunkt für die Anleger. Das ist auf die langjährige Emissionsgeschichte in diesem Marktsegment zurückzuführen. Der Hartwährungsbereich, der im Jahr 2000 größer als das Lokalwährungsuniversum war, ist derzeit der kleinste EMD-Sektor. Im letzten Jahrzehnt kam es zu einer Renaissance bei Anleihen von Emittenten, die zuvor Nutznießer der Unterstützung durch die Weltbank oder den Internationalen Währungsfonds waren. Viele dieser Emittenten begeben jetzt erstmals internationale Anleihen. Das Volumen des EMD-Anlageuniversums hat sich in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt (Abbildung 1).

Abbildung 1: Die Größe des EMD-Anlageuniversums hat sich seit 2007 mehr als verdoppelt

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Quelle: JP Morgan, per 31. Juli 2020

Auf Hartwährung lautende Unternehmensanleihen stellen eine große investierbare Anlageklasse dar und sind der logische Einstiegspunkt für europäische Versicherungsanleger. Mit einem Volumen von ca. 2 Bio. USD ist die Anlageklasse größer als das US-Hochzinssegment (1,5 Bio. USD) und fast doppelt so groß wie die Anlageklasse der auf Hartwährung lautenden Staatsanleihen aus den Schwellenländern. Seit 2003 lag das Emissionsvolumen von EM-Unternehmensanleihen jedes Jahr über dem der EM-Staatsanleihen (Abbildung 2). Der Markt für Unternehmensanleihen aus den Schwellenländern bietet erhebliche Chancen für die Titelselektion. In diesem Markt besteht eine Informationslücke. Unternehmen sind durch ihr Länderrating beschränkt und veraltete Ratings kleinerer Emittenten spiegeln die mittlerweile besseren Fundamentaldaten womöglich nicht wider. Entgegen der landläufigen Meinung bietet der Markt für EM-Unternehmensanleihen die größte Diversität gemessen an allen bedeutenden EM-Anleihenindizes: 659 Emittenten aus 52 verschiedenen Ländern in mehreren Regionen (Abbildung 3). Die Vielfalt der Emittenten hat im letzten Jahrzehnt zugenommen. EM-Unternehmensanleihen stellen mittlerweile das vielfältigste Segment innerhalb des EMD-Universums dar.

Abbildung 2: Steigendes Emissionsvolumen bei EM-Unternehmensanleihen

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Quelle: JP Morgan, 31. Juli 2020

Abbildung 3: EM-Unternehmensanleihen nach Regionen

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Quelle: JP Morgan, 31. Juli 2020. Nur zu Illustrationszwecken.

Qualität: Mythen und Wirklichkeit

Versicherungsanleger teilen womöglich die Einschätzung, dass Anleihen aus den Schwellenländern eine schwächere Bonität aufweisen als ihre Pendants aus den Industrieländern. Das gilt insbesondere für Anleger, die sich mit den möglichen Auswirkungen einer EMD-Strategie auf ihre Solvenzbilanz befassen.

In Wirklichkeit haben Schwellenländerunternehmen in den letzten fünf Jahren Anstrengungen unternommen, um ihre Kreditaufnahme zu reduzieren und ihre Bonität zu verbessern. Gleichwertige US-Unternehmen mit Investment-Grade-Rating sind dagegen derzeit so stark verschuldet wie seit 15 Jahren nicht mehr. Die Ausfallquoten in den Schwellenländern markierten in den letzten 20 Jahren historische Tiefststände. Das liegt daran, dass ein größerer Teil der EM-Anleihen in Lokalwährung emittiert wird, wodurch sich die Abhängigkeit von Wechselkursschwankungen verringert.

Eine Herausforderung für Versicherungsunternehmen stellen die von Ratingagenturen erteilten Bonitätsbewertungen für EM-Unternehmensanleihen dar. Ratingagenturen beurteilen Unternehmen aus Schwellenländern per se strenger als ihre Pendants aus den Industrieländern. Sie vergeben in der Regel kein höheres Rating als das Rating des Landes, in dem das jeweilige Unternehmen ansässig ist. EM-Unternehmen weisen jedoch oft stärkere Fundamentaldaten auf als vergleichbare Unternehmen aus den Industrieländern in derselben Bonitätskategorie.

Institutionelle Anleger, die nicht unter die Versicherungsvorschriften fallen und die Solvency II-Regelungen und die darin vorgesehene Standardformel nicht anwenden müssen, oder jene, die interne Modelle anwenden, könnten die Einschätzung der Ratingagenturen hinterfragen. Diese Anleger könnten Unternehmen mit soliden Bilanzen, guter strategischer Position, hohen Marktanteilen und starken Anteilseignern identifizieren, deren Vorzüge sich nicht angemessen in ihrem Rating widerspiegeln. Versicherungsunternehmen, welche die Standardformel der Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen (EIOPA) anwenden und keine anderen Bewertungen der wahren Qualität einer Emission heranziehen können, dürften den Fokus logischerweise auf Investment-Grade-Papiere legen. Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating machen 76% des JP Morgan GBI-EM Global Diversified Index aus (Stand: Juli 2019).

Jenseits der undifferenzierten Bonitätsurteile findet man ein vielfältiges und wachsendes Spektrum an Qualitätsunternehmen mit hohem Kreditrating und starker Performance. Über diese Unternehmen können Anleger ein Exposure als Bestandteil einer gut diversifizierten Bilanz aufbauen.

ESG-Aspekte – Umwelt, Soziales und Governance

Die heutigen Anleger sind sich des Klimawandels und der sozialen Ungleichheiten bewusst und zeigen sich besorgt darüber. Mythen über ESG-Standards in Schwellenländern haben europäische Versicherungsunternehmen angesichts des verstärkten Fokus, den EIOPA auf Nachhaltigkeitsfaktoren legt, von EMD-Anlagen abgehalten.

ASI hat einen proprietären ESG-Rahmen entwickelt, der eine vierte Dimension einbezieht - das politische Risiko. Unser ESGP-Ansatz kombiniert unser auf Research und Bottom-up-Analysen basierendes Anlage-Know-how mit quantitativen Kennzahlen aus unabhängigen Quellen für alle vier Faktoren. Dabei wird auch der Entwicklungsrichtung dieser aufstrebenden Volkswirtschaften Rechnung getragen. Gespräche mit Regierungen über die Förderung nachhaltigerer und integrativerer Reformen unterstützen diese Analyse erheblich.

Fazit

ASI startete sein Management von EMD-Anlagen 1994. Heute verfügen wir über ein Team aus 40 Mitarbeitern und unsere fundamentale Analyse erstreckt sich auf Staats- und Unternehmensanleihen, aus- und inländische Anleihen sowie Devisen. Unser Team kann maßgeschneiderte EMD-Mandate für Versicherungskunden in ganz Europa strukturieren und bietet ein breites Spektrum gebündelter Fondsstrategien. Wenn Sie wissen möchten, welche Relevanz Schwellenländeranleihen für die Bilanz Ihres Versicherungsunternehmens haben können, wenden Sie sich bitte an Ihren lokalen Ansprechpartner bei ASI.

Risikohinweis

Der Wert jedes Investments und die Einkünfte daraus können sinken oder steigen und Sie erhalten möglicherweise weniger als den investierten Geldbetrag zurück.